Di – So    11:00 – 18:00

Hasemauer 1, Osnabrück

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Never Quite Right

21.06.25 – 19.10.25

Ausstellung Innenhof

Coming soon: Minh Duc Pham

Minh Duc Pham ist Künstler und Performer. Er arbeitet mit zerbrechlichen Materialien wie Ton, Stoff und Blumen. Er verarbeitet sie mit traditionellen Techniken wie Nähen, Papierschöpfen oder Ikebana. [Papierschöpfen bedeutet: Aus altem Papier wird neues gemacht. Die Technik gibt es schon sehr lange. Und Ikebana ist eine japanische Kunstform, bei der Blumen und andere Materialien zu Gestecken zusammengefügt werden.] In seiner Kunst erzählt er Geschichten auf eine neue Art. So werden Stimmen gehört, die oft nicht erinnert werden.

Minh Duc Pham wurde in Deutschland geboren. Schon früh war er mit gesellschaftlichen Erwartungen konfrontiert: sich anzupassen und gute Leistung zu zeigen. Die frühen Erfahrungen mit diesem Druck sind Teil von Minh Duc Phams künstlerischer Arbeit. Er leistet Widerstand gegen Rassismus, Klassismus und Queerfeindlichkeit, also gegen verschiedene Formen von Benachteiligungen. Dieser Kampf bildet die Basis seiner Kunst.

Minh Duc Pham ist Sohn vietnamesischer Vertragsarbeiter:innen. In der DDR arbeiteten ab den 1980er-Jahren viele Menschen aus Vietnam. Es gab einen Vertrag dafür zwischen der DDR und Vietnam. Die Vertragsarbeiter:innen arbeiteten oft in Fabriken, oft für mehrere Jahre. Sie lebten in Wohnheimen oder Gruppenunterkünften und hatten nur wenig Kontakte zu den Bewohner:innen der DDR. Damals wurde von der politischen Führung gesagt: „Die Vertragsarbeiter:innen kommen aus einem sozialistischen Bruderland“. Trotzdem war ihr Alltag oft von Ausgrenzung und Ungleichheit geprägt.

Für den Innenhof der Kunsthalle Osnabrück entwickelt Minh Duc Pham ein poetisches Denkmal. Es ist den vietnamesischen Vertragsarbeiter:innen der ehemaligen DDR gewidmet. Ihr Gefühl von Abhängigkeit, Unsichtbarkeit und Ungewissheit wird damit sichtbar gemacht.

Die Vorlage für Minh Duc Phams Arbeit war die analemmatische Sonnenuhr. Eine analemmatische Sonnenuhr ist eine besondere Art von Sonnenuhr. Sie zeigt die Uhrzeit mit Hilfe der Sonne und eines Schattens an. Das Besondere daran ist: Der Schattenstab ist nicht fest, sondern er muss je nach Datum verschoben werden.

Minh Duc Pham versteht diese Sonnenuhr aber nicht nur als Zeitmesser. Sondern als einen poetischen Zeitkörper. Er verbindet Erinnerung, Verlust und Widerstand. Die Stunden sind durch unterschiedlich hohe, sich windende Blüten markiert. Das erinnert unter anderem daran, dass viele Vertragsarbeiter:innen nach der Wiedervereinigung Blumenläden eröffneten. Die Blüten erinnern auch an Dornen- und Blatt-Entferner. Sie stehen für das Glätten und Gleichmachen widerständiger Elemente.

Im Zentrum der Arbeit steht eine Einladung: Die Besucher:innen selbst werden zum schattenwerfenden Zeiger. Sie platzieren sich auf der Datumsleiste. So aktivieren sie die Zeitmessung mit ihrem Körper. Doch diese Bewegung ist begrenzt. Der Monatsregler ist auf den 11. April 1980 festgelegt. Auf den Tag der Vertragsunterzeichnung zwischen der DDR und Vietnam. Jede ablesbare Zeit ist also verschoben und verzerrt – ein System, das sich nicht an Menschen orientiert, sondern an politischen Entscheidungen.

Diese Veränderung steht symbolisch für die Brüche im Leben vieler Vertragsarbeiter:innen und ihrer Kinder. Sie zeigt, wie stark staatliche Regelungen ihre Lebenswege beeinflusst haben – und bis heute beeinflussen.

Minh Duc Pham (DE) lebt und arbeitet in Berlin. Seine Arbeiten wurden unter anderem im Museum der Bildenden Künste in Leipzig (2023), im Stadtmuseum Dresden (2023), im Haus der Kulturen der Welt (2024) oder zuletzt im Haus am Kleistpark (2024) ausgestellt. Pham wirkte außerdem in Performances wie „Die Große Klassenrevue“ (2023) am HAU 1, „Home Away From Home“ (2021) in HELLERAU und Cloud Gate Theater Taipei, „Be Part Of“ (2022) an der Gessnerallee, Zürich und „Semiotiken der Drecksarbeit“ (2022) im Mousonturm Frankfurt mit.

Die Ausstellung wird gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, die Stiftung Niedersachsen und die Egerland Stiftung.